(Aus dem Roman Leprochan, von Gnomen und Menschen.)
Zunächst geschah nichts. Wir sahen in die glänzende Fläche des einen Spiegels, und wir sahen den anderen. Und in diesem sahen wir den ersten und dort den weiteren und tiefer und weiter und weiter und tiefer, die Unendlichkeit war dabei und das Gute und das Böse und wir waren verloren. Mittendrin und verloren. In unseren Köpfen war die Welt. Oder was wir dafür hielten. Mit unerhörter Euphorie sahen wir ins Unermessliche, ins Unendliche hinein. Die plötzliche Macht, die uns erfasste, vermochte darzustellen, wir seien zu allem in der Lage. Jetzt und immer und zu allen Zeiten. War das die Lehre? War dies das Ergebnis? Hatte der Gnom uns das zeigen wollen? Die Spiegel führten weiter und weiter. Tiefer und immerzu tiefer. Ein Schwindel packte uns. Wir stürzten hinab, zwischen Wahnsinn und unerhörtester Klarheit, zwischen hellen Visionen und schwarzer Magie.
Wir flogen durch die Unendlichkeiten. "Zwischen den Spiegeln ist das Nichts und das Alles", hörten wir eine Stimme. Zwischen den Spiegeln waren wir, war das Nichts. Alles war verloren und alles war erkannt. "Alles in besten Bereichen", schrie einer. Ein Lichtstrahl zeigte sich. Irgendwo spürten wir den Leprochan.
LiederlicheSchlagzeilen - freche Gedanken - Spinnereien - nicht allzu ernst zu Nehmendes - und allzu ernst zu Nehmendes - Tagebuchsplitter
Alles ist ja nur ein Spaß.
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Die Richterin sprach ihr Urteil und alle nickten sich zu. Das Richterinnen-Nicken galt insbesondere ihrem Freund, dem Anwalt der Gegenseite. Sie war sich ihrer Erheblichkeit bewusst.
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Die Stärken und Schwächen des aufrecht gehenden Menschen definieren ihm Tod und Teufel und eine Menge Götter.
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Ich bin bei dir, flüsterte sie, heute und für alle Zeiten. Oh mein Gott, sagte er.
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Es sollte schon ein Bisschen mehr sein, meinte der Metzger.
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Leistung muss sich lohnen, betonte der Steuerflüchtling.
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Witwen leben länger.
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Zeitungspapier auf dem Plumpsklo. Quadratisch geschnitten. Aufgenagelt. Kleine Geschichten ohne eine Fortsetzung.
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Die Langzeitarbeitslose fragte ihren Serviceberater, welche Zusatzeinnahmen zu melden seien. Was haben Sie denn? Dreihundertfünfzig Euro, sagte sie. Ich habe eines meiner Eier verkauft. Was haben Sie? Ich war in England, erklärte sie, da geht das. Die machen dort Versuchsbabys. Ich dachte mir, wenn ich denen monatlich einige Eier gebe, Sie wissen schon, die aus dem Eierstock, käme ich ganz gut über die Runden.
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Dem Morgen zu sind Träume deftig, und auch am Tage oft sehr heftig. Bloß Träume, die am Tag erscheinen, sind grausamer, glaub ich zu meinen.
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Liegst du am Strand und riechst das Meer, fällt dir das Dasein gar nicht schwer. Doch kommt der Menschen Duft hinzu, ist es vorbei mit deiner Ruh.
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Entscheidungen, zu Haus gefunden, sie halten oft nur ein paar Stunden. Denn gehst du raus aus deinen Mauern, lässt frische Luft sie nicht lang dauern.
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Weißt du, grübelt die Eintagsfliege beim Abendessen, beim Frühstück waren wir noch Kinder.
Blick von der Burg auf Peniscola
Aus dem Buch der Liederlichkeiten:
Ich bin so klug, sagte der eine, dass ich dies alles beweisen kann. Aha, sagte der andere, und er verstand kein Wort.
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Er griff sich an die Nase und bemerkte, dass es nicht die eigene war.
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In der Zoohandlung erhält man hübsche kleine Mäuse, Futter für die Schlangen in den häuslichen Terrarien. Es ist wie ein Wunder, sagt die Mutter, sieht man sie würgen, diese Terrarier. Das ist lehrreich. Für Kinder. In jedem Falle.
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Die Erhöhung des Renteneintrittsalters hat neben den Gelddingen auch eine wirksam vorgezogene Sterblichkeit zur Folge. Was sich besonders in den unteren Bevölkerungsschichten auswirkt. Man nennt so etwas in der Fachsprache den positiven Zusatzeffekt.
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Die Statistik behauptet, dass in der Nähe von Atomkraftwerken die Zahl von Leukämieerkrankungen anstiege. Besonders bei Kindern. Aber, erkären die Forscher, das ist nur Statistik. Es sind nur Zahlen. Sie haben keine wirkliche Bedeutung.
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Hunderte und mehr Schiffe bewegen sich um fünf Uhr früh hinaus aufs Meer. Arme Fischer. Arme Fische. Alles wird umfangreicher. Isst du keine Fische? Nur wenn sie tot sind.
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Baust du mir ein Haus? Hier? Genau hier. Aber das ist ein Friedhof. Nun gut. Es ist die Ruhe. Verstehst du?
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Während die Männer am Strand die Bretter auslegen, die von der Promenade über den Sand zum Ufer führen, und während unten am Haus ein bösartiger Presslufthammer eine hässliche, narbige Furche in die Straße zieht, grüble ich über den Untergang der Welt. Meiner Welt. Dieser mir bekannten Welt. Ob die Bombe zündet? Ein letztes Frühjahr? Über mir protestieren die Stare, die im Hausdach nisten. In mir protestiert die Rückbesinnung. Gibt es diesen Gott wirklich, der jene Befehle erteilt, welche über die Diener der Welt vermittelt werden? Am Paradies bin ich interessiert. An den Jungfrauen weniger. Obwohl ich so etwas nicht sagen sollte. Einige Möwen fliegen. Sie bleiben von meinen Überlegungen unberührt, lachen heiser, scheißen auf die Szene.
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Die ersten Menschen bemerkten rasch, dass der aufrechte Gang bedeutete, dass man beim Kacken leicht die eigenen Füße traf. So erfanden sie das Plumps-Klo. Sie nannten es den Fortschritt.
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Die Gier nach dem Mehr ist mehr als nur Gier. Sie ist Bestandteil. Bestandteil der Sammlungen. Der Menschengehirnsammlungen. Der Ansammlungen. Machtsammlungen. Sie ist Bestandteil der Liederlichkeit.
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Und es geschah zu der Zeit, dass einige Affen Gott entdeckten. Dies war der Beginn einer großen Freundschaft.
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Die Spende nehme ich gerne, sagte sie und dachte, hoffentlich bekommt er seine blauen Augen. Die Spende gebe ich gerne, sagte er und dachte, hoffentlich sehe ich sie nicht wieder.
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Es war ein schwieriger Orgasmus. Die Retorte füllte sich nur zögernd. Die Frau, von seiner Fantasie erkannt, zeigte ihr gläsernes Lachen und roch nach Urinal. Er dachte an den Sohn, den er machte - oder war es die Tochter?
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Und als sie bemerkte, dass es mit dem Manne nichts Ordentliches mehr auf sich hatte, beschloss sie, den Neuen zu umgarnen, diesen für sich einzunehmen, denn sie war eine Hexe, sie konnte das, und sie wollte keinesfalls gerne und sehenden Auges die Freuden des Lebens schon heute hinter sich lassen. Sie brachte den einen um und machte den anderen zum Geliebten. Solange es geht, geht es, sagte sie, denn auch dies war ihr klar, für alle Ewigkeit geschah nichts.
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Es ist äußerst niederschwellig, sagte der Mann mit der Brille und guckte um Beifall heischend in die Runde.
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Die Gehirnforschung hat einen bemerkenswerten Fortschritt erzielt, ihn umgehend genutzt und eine zukunftweisende Veränderung menschlichen Verhaltens bewirkt. Alle Menschen sind ab sofort sexuell gleich, Männer, Frauen, alle. Es gibt keine Unterschiede. Den menschlichen Nachwuchs hatte man zuvor schon auf andere Weise hergestellt. Das machte keine Probleme. Neu ist nun, dass der Sexualtrieb vermittels raffinierter Stimulation unmittelbar im Gehirn befriedet wird. Der Nobel-Ausschuss pries die Forscherleistung bei der Verleihung in Stockholm als eine der gewaltigsten in der menschlichen Entwicklung. Ein weiterer Schritt, der Evolution entscheidend voraus zu sein.
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Bist du sicher, fragte der Spiegel, dass du den Richtigen rasierst?
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Wenn Zufall auf Vermutung trifft, glaubt mancher an ein Wunder.
Das Haus am Meer -
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Ein mir fremder Matrose hob die Perle von der Erde auf und es war ein Papierkügelchen. Oder eine aus der Nase gedrehte Pille. Oder anderer Dreck.
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Ausspruch des praktisch begabten Vogels: Die Würmer werden kürzer meist, wenn man sie auseinander reißt.
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Hier ist immer jemand, der mit dir spricht, sagte das Meer und eine Welle warf sich auf den Strand. Ein toter Fisch glotzte mich an. Es stank.
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Oder doch? Vielleicht? Ja oder? Wieso denn nicht? Dann also? Nie war der Weg einfach, stellten sie fest, doch das Ziel lockte, also liefen sie.
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Es ist ganz einfach, sagte er. Zwei Dinge nenne ich. Erstens: Wenn man das Gehirn des Menschen besitzt, besitzt man den Menschen. Das ist nicht allzu philosophisch. Zweitens: Wenn man das Gehirn tötet, tötet man die Schöpfung, sämtliche Götter, den Kosmos und alles andere dazu. Das ist nicht allzu menschlich.
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Dauert unsere Liebe ein Leben lang, fragte Julia. Ich denke, es ist umgekehrt, sagte Romeo, unser Leben dauert nur eine Liebe lang.
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Die Rasur ist beendet, nun rasch ins Büro, der Tag ist willkommen, erwartet dich froh.
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Da wir empirische Wesen sind, verstehen wir nur, was wir verstehen können, also das, was wir gelernt haben zu verstehen. Irgendwann einmal. Was die Evolution so mitgibt. Und dies, liebe Freunde, ist verschwindend gering. Im Grunde genommen gar nichts. Vier oder fünf Prozent oder so. Von allem.
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Der Drache, abschätzig, zum Glühwürmchen: Kein großer Geist sich feurig nennt, bloß weil im Arsch ein Lichtlein brennt.
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Kennen Sie das? Sie stehen morgens vor dem Spiegel, beginnen, noch leicht müde, vielleicht etwas missmutig, mit der Rasur - und dann kommen diese Gedanken. Die einfachen, was man beispielsweise heute tun möchte oder tun muss, aber auch die komplizierteren. Manchmal trägt man den ganzen Tag an einer solchen Rasur. Oder länger.